Vor dem Hintergrund der enorm gestiegenen Produktionskosten und des bei den Druck- und Schreibpapieren weiter betriebenen Kapazitätsmanagements ist damit zu rechnen, dass die Papierpreise in Europa nicht so bald wieder deutlich sinken werden. Der Krieg in der Ukraine und die daraus erwachsenden Probleme und Änderungen in der Energiepolitik lassen vermuten, dass bis zu einem vollständigen Ersatz russischer Energie durch andere Energieträger oder -lieferanten die Preise für allem für Gas und die daran gekoppelten anderen Energiepreise hoch bleiben werden. Nicht alle Papierwerke in Europa sind von der Kostenexplosion beim Gas in gleicher Weise betroffen, doch alle verzeichnen wegen der steigenden Preise für viele Produktionsfaktoren einen starken Anstieg ihrer Kosten.
Kapazitätsabbau bei den Pressepapieren wird Nachfrageverlauf angepasst
Groß sind die Unterschiede der Kostenbelastung durch stark steigende Gaspreise bei den Werken für Druck- und Schreibpapiere in Europa. Manche Hersteller sahen sich in jüngster Zeit gezwungen, je nach Produkt und Werk enorme Energieaufschläge zu verlangen, als die Gaspreise Anfang März nach oben schnellten. Zwar beruhigte sich die Gaspreisentwicklung danach wieder, die Gaspreise haben sich jedoch seither auf einem höheren Niveau eingependelt als vor diesem Peak. Akteure in der Papierindustrie rechnen damit, dass die Gaspreise zumindest solange auf einem viel höheren Niveau bleiben als noch vor einem Jahr, bis sich der Energiemarkt in Europa neu aufgestellt hat.
Hoher Kostendruck bleibt den Herstellern von Pressepapieren und Feinpapieren in Europa somit auf absehbare Zeit erhalten. Es gab mit dem Streik in Finnland und dem Abbau von Produktionskapazitäten jedoch noch zwei weitere Faktoren, die stark die Preisfindung beeinflussten. Der Streik in den finnischen Papier- und Zellstoffwerken von UPM ist zwar inzwischen beendet, doch auch wenn wieder Papier aus diesen Werken zur Verfügung steht, stellt die jüngst veröffentlichte Entscheidung von Stora Enso, seine Werke in Maxau, Anjala, Niemölla und Hylte zu verkaufen, eine entscheidende, neue Wendung dar. Zusätzlich zu den in naher Zukunft schon feststehenden Kapazitätsreduzierungen (Stora Enso/Modern Karton Eilenburg, Heinzel Laakirchen) könnten die Kapazitäten der zum Verkauf stehenden Werke für andere Sorten umgebaut oder geschlossen werden.
Falls es die Entwicklung als sinnvoll erscheinen lässt, könnten sie auch weiter zumindest teilweise für die Herstellung bestimmter Druck- und Schreibpapiere eingesetzt werden. Falls sich kein Käufer finden sollte, kann Stora Enso selbst auf die Verbrauchsentwicklung reagieren und die Produktionskapazitäten entsprechend belassen, umbauen oder schließen. Darüber hinaus ist auch möglich, dass Stora Ensos Werk Langerbrugge in Belgien, das nicht zum Verkauf steht, für die Produktion von Verpackungspapieren für den integrierten Verbrauch umgebaut wird.
Dass die Preise für Pressepapiere in etwa das jüngst erreichte Niveau beibehalten werden, wird somit immer wahrscheinlicher. Die Preise für Standard-Zeitungsdruckpapier haben wie alle anderen Druck- und Schreibpapiersorten ein neues Höchstniveau erklommen. In der Spitze liegen die Preisangaben bei über 900 € pro Tonne, ein großer Teil der Preisangaben liegt zwischen 800 und 900 €. Für LWC werden Preise über 1.000 € genannt, und SC-Papier hat Preise erreicht, die im Extremfall nicht mehr weit von der 1.000 €-Marke entfernt sind. Zwar haben manche Hersteller auf die Beruhigung der Gaspreise nach dem Peak Anfang März reagiert und ihre Energiezuschläge nach unten angepasst. Doch chronisch höhere Energiekosten werden fortan mit Sicherheit in die Preisbildung dauerhaft einfließen.
Das gleiche Bild ist bei den Feinpapieren zu sehen, Notierungen über 1.000 sind jetzt die Regel und nicht mehr die Ausnahme. Der beschlossene Verkauf des Werks Nymölla stellt rund 340.000 jato an Kapazitäten für holzfreie ungestrichene Papiere zur Disposition, zusätzlich zum Umbau bei Double A/VPK in Alizay und den in jüngster Vergangenheit erfolgten Schließungen.
Verpackungspapiere: Verbrauch dieses Jahr entscheidend für weitere Preisentwicklung
Gänzlich anders, jedoch auch bislang preistreibend war und ist die Entwicklung im Markt für Wellpappenrohpapiere. Dieser Markt ist vergangenes Jahr stark gewachsen, was trotz der neu auf den Markt gekommenen Kapazitäten den Papierherstellern die Möglichkeit gegeben hat, höhere Produktionskosten an die Käufer weiter zu geben.
Auch die als Folge der Gaspreisexplosion Anfang März angekündigte Preiserhöhung im April scheint zu greifen, auch wenn der Markt keine Merkmale der Verknappung aufweist und als in etwa ausgeglichen gilt. Ob die in nächster Zeit zu erwartenden, neu hinzukommenden Produktionskapazitäten etwa bei Norske Skog oder im ehemaligen Stora Enso-Werk Eilenburg absorbiert werden können, hängt vom Verbrauch im laufenden Jahr ab. Bislang gehen Marktbeteiligte von einem Wachstum von 3-4 % aus, eine Annahme, die aber vor dem Hintergrund von Inflation und zurückhaltendem Verbrauchverhalten nach unten korrigiert werden könnte.
Auch die Preise für Frischfaser-Wellpappenrohpapiere haben neue Höchststände erreicht. Der bleibende Kostendruck wird die Papierhersteller dazu zwingen, im Fall von möglichen Überkapazitäten die Preise nicht wieder auf das Niveau von vor zwei Jahren zurücksinken zu lassen. Der Break-Even-Point liegt für sie jetzt wahrscheinlich dauerhaft viel höher....